VON MICHAEL HASSE
Deutschland als größte europäische Volkswirtschaft und im internationalen Vergleich mit einer immer noch hohen Bargeldquote von ca. 50% ist gerade für ausländische Payment Dienstleister ein sehr attraktiver Markt. Dies haben nicht zuletzt die M&A-Aktivitäten der letzten Jahre und Monate in der Branche gezeigt, die ganz maßgeblich von Akteuren außerhalb Deutschlands geprägt waren und sind. Aufgrund der Bedeutung der girocard als DEM deutschen Debit-Bezahlverfahren stellt sich jedem ausländischen Unternehmen, das über einen Markteintritt nachdenkt, die unmittelbare Frage nach der Notwendigkeit ihrer Akzeptanz und wie sie sichergestellt werden kann.
Laut der EHI-Studie für 2019 werden im stationären Handel die kartenbasierten Verfahren von der girocard mit einem Anteil von ca. 70% oder 211 Mrd. Euro ganz klar dominiert, die internationalen Schemes wie Mastercard, VISA, American Express, Diners/Discover, JCB und UP kommen mit ihren Credit- und Debitprodukten lediglich auf einen Anteil von ca. 15% (45 Mrd. Euro), weitere 15% des Volumens werden als gesicherte oder ungesicherte Lastschrift abgewickelt.
Die girocard ist die Debitkarte der Deutschen Kreditwirtschaft (DK). Aktuell sind ca. 100 Mio. Karten im Umlauf, die zum großen Teil mit Kontaktlosfunktionalität ausgestattet sind bzw. in Wallets geladen werden können. Die DK als Eigner des girocard Systems stellt dabei die Regularien auf und überwacht deren Einhaltung. Die Akzeptanz der girocard am POS ist an die Zertifizierung eines Terminals in einem zugelassenen girocard-Netzbetrieb gebunden. Heute (Stand Dezember 2020) existieren 20 dieser Netzbetreiber (nachzulesen auf Deutsche Kreditwirtschaft (die-dk.de)), die sowohl aus dem klassischen Paymentsektor wie aber auch aus Einzelhandel, Mineralölbranche oder Verkehrsindustrie stammen. Die Akzeptanz der girocard ist auf Deutschland und seine Grenzregionen beschränkt.
Um dem Karteninhaber den Einsatz der girocard im Ausland zu ermöglichen, ist der weitüberwiegende Teil der herausgegebenen girocards jedoch mit einem CoBrand (z.B. maestro oder VPay) für ein Debitprodukt der internationalen Schemes ausgestattet. Somit ist aus rein technischer Sicht eine girocard-Akzeptanz nicht zwingend notwendig, da für die Autorisierung sowie das Settlement auf den CoBrand ausgewichen werden kann. Allerdings ist dann der Abschluss von Kreditkartenakzeptanzverträgen durch Händler mit den erforderlichen Prüfungen zu Geldwäsche, Kundenidentifizierungen und Risikoprofil erforderlich. Es können vom Paymentdienstleister auch Terminals eingesetzt werden, die über keine girocard Zulassung verfügen, sondern „lediglich“ die EMV und PCI – Regularien erfüllen.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der girocard und den Debitprodukten der Schemes liegt jedoch in den Akzeptanzkosten für den Händler. Während die Kosten für die girocard je nach Händler zwischen 0,15% – 0,25% des Umsatzes betragen, liegen sie bei den Debitprodukten der internationalen Schemes leicht bei mehr als dem Doppelten. Bei einem Händler mit 100.000 Euro girocard Umsatz ist das leicht ein Kostenunterschied von 250 Euro und somit für ihn ein ganz wesentliches Entscheidungskriterium.
Während also aus technischer Sicht eine girocard-Akzeptanz für einen Markteintritt nicht zwingend notwendig ist, so ist sie aus kommerzieller Sicht je nach Zielbranche und Kundensegment kritisch zu hinterfragen oder auch unbedingt erforderlich. In Branchen mit einem sehr hohen Anteil an Kreditkartenzahlungen wie Hotellerie, Gastronomie, High End Retail und touristischen Hot Spots ist die Akzeptanz einer girocard sicherlich weniger kritisch zu sehen als zum Beispiel im Lebensmitteleinzelhandel. Diverse mPOS-Anbieter nutzen die CoBrands einer girocard für ihr Geschäftsmodell, um speziell Händlern mit geringen Umsatzvolumina oder saisonalem Geschäft ein interessantes und marktfähiges Angebot machen zu können.
Die Fragestellung nach der Notwendigkeit der girocard Akzeptanz lässt sich somit nicht pauschal beantworten, sondern ist von der individuellen Situation und Strategie des Payment Dienstleisters abhängig.
Optionen zur Schaffung der „echten“ girocard-Akzeptanz können sowohl der Aufbau eines zertifizierten Netzbetriebs oder eines kaufmännischen Netzbetreibers (KNB) sein. Im KNB-Modell lagert der Payment-Dienstleister den zertifizierten Netzbetrieb und bei Bedarf weitere Teile der Wertschöpfungskette an einen zugelassenen Netzbetreiber aus, behält aber selbst die Kundenvertrag und -beziehung.
SHC unterstützt Unternehmen beim Eintritt in den Paymentmarkt, dem Aufbau eines zertifizierten girocard-Netzbetriebs oder eines KNB.