Jahresabschlussinterview Part 1

Hallo Robert, danke, dass du dir so kurz vor Ende des Jahres nochmal etwas Zeit genommen hast. Als SHC sind wir ja in den drei Bereichen Payment, Kundenselbstbedienung und eHealth unterwegs, die ich gerne jeweils kurz mit dir durchgehen würde.

Lass uns mit dem Thema Payment anfangen:

Frage: Was hat das Payment-Jahr 2018 für dich ausgezeichnet?

Antwort: Ich möchte die Frage für folgende 4 Segmente getrennt beantworten:

1. Anbieter,

2. Produkt,

3. Regulierung/Innovation,

4. Markt

– Anbieter

Auf Anbieterseite war das Jahr 2018 sicherlich durch die großen Übernahmen geprägt. Ich denke da an Six – Atos, BS PAYONE – Ingenico, Paypal – iZettle, Concardis – nets, etc. und da sind wir sicherlich noch nicht am Ende. Wie das den Markt verändern wird, bleibt abzuwarten. Payment ist zwar ein stark skalengetriebenes Business, doch die schiere Größe ist – wie die Erfahrung zeigt – nicht das einzige Erfolgsrezept in einem sich derart schnell veränderndem Markt. Die Transformation von tradierten Geschäftsmodellen ist hier der eigentliche Schlüssel für Erfolg.

– Produkt

Auf Produktseite sehe ich die positive Entwicklung in der steigenden Konsumentenakzeptanz von kontaktlosen Zahlungen als tolles Ergebnis für 2018. Die Einführung von girocard contactless hat hier sicherlich einen ganz wichtigen Beitrag geleistet. Durch die Einführung der girocard contactless wurden ganz neue Produkte im Mark angeboten. Eines davon ist beispielsweise das Terminal ohne PinPad (TOPP), welches die besonderen Anforderungen von kontaktlosen Zahlungen mit dem Vorteil von kleinerer Hardware verbinden soll.

Hinzu kommen neue Zahlarten, die insbesondere aus dem asiatischen Raum kommen. AliPay und WeChat erlangen eine immer größere Relevanz für den stationären Handel in Deutschland, da Touristen aus dem asiatischen Raum gerne mit ihrer gewohnten Zahlart bezahlen wollen. Nicht zu vergessen natürlich das seit Mitte 2018 verfügbare Google Pay und das im Dezember (endlich) verfügbare apple pay. Aber: auch wenn wir Payment Nerds schon glänzende Augen bekommen, wenn contactless Zahlungen zweistellige Wachstumsraten erzielen, so müssen wir doch leider konstatieren, dass insbesondere Deutschland nach wie vor ein Bargeldland ist und (leider) immer noch 8 von 10 Trx in bar bezahlt werden. Über dieses Potenzial sollten wir nachdenken und für Konsumenten attraktive Produkte und Rahmenbedingungen schaffen! Contactless kann hier helfen, aber das reicht bei weitem nicht aus um hier einen Mindchange auszulösen. Die Nordischen Länder (Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland) haben uns perfekt gezeigt wie das gehen kann. Durch stetige Förderung und Nutzung digitaler Bezahlarten haben es die Skandinavier geschafft, dass eine breite Akzeptanzseite im Handel geschaffen wurde und somit die Anzahl der Transaktion die unbar gezahlt werden erheblich gesteigert wurden.

– Regulierung/Innovation

Ich sehe bewusst die Themen Regulierung und Innovation als ein zusammenhängendes Segment, da insbesondere die PSD/2 und auch die DSGVO für Innovatoren eine unendliche Spielwiese für Produkte mit richtigem Kundenmehrwert und neuen disruptiven Geschäftsmodellen darstellt. Da die eigentliches PSD/2 Einführung inkl. Access-2-Account erst im September 2019 ansteht, habe ich in 2018 noch keine großen Entwicklungen feststellen können. Regulatorische Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben ist für mich PFLICHT. Die KÜR – wie profitiere ich als Verbraucher davon – wird wohl erst in 2019 Fahrt aufnehmen.

– Markt

Auf der Marktseite steht natürlich der anhaltende Wachstumstrend von eCom an erster Stelle. Mit Sorge blicke ich hier auf die immer größere Marktdominanz der reichweitenstarken GAFA (Google, Amazon, facebook, Apple) und der damit verbundenen Marktmacht unsere Gewohnheiten in ihrem Sinn zu verändern. Hier ist es nur eine Frage der Zeit, wann diese Player das Thema Payment und auch Banking für sich entdecken. Arnulf Keese hat das in einer Beitragsreihe für das Handelsblatt schön erläutert.

Das bringt mich zum Fazit für 2018: Abgesehen von der Marktkonsolidierung würde ich das Jahr 2018 als „Vorbereitungsjahr auf das Inkrafttreten der PSD/2“ bezeichnen. Gute Innovationen und neue Geschäftsmodelle werden wir – sofern man nicht zu sehr mit der Unternehmenszusammenführung beschäftigt ist – wohl erst ab 2019 sehen.

Frage: Wie wird sich der Payment-Markt im Jahr 2019 und folgend entwickeln?

Antwort: Lass mich auch hier die 4 Segmente wieder kurz aufgreifen

– Anbieter:

Ich erwarte ganz klar eine Fortsetzung der Marktkonsolidierungen auf der Anbieterseite. Ggf. nicht mehr auf der großen Ebene, sondern eher im Bereich KMU. Schlussendlich ist der KMU Bereich ein Kundenklientel mit nach wie vor interessanten Paymentmargen. Den Zugang zu diesen Kunden haben aber – entgegen oft gehegten Hoffnungen –nicht die Banken, sondern die sogenannten Kaufmännischen Netzbetreiber (KNB) im POS und die PSP im eCom. Hier erwarte ich Veränderungen, da diese KMU – durch ihren direkten Kundenzugang – auf einmal als Absatzkanal für die großen Player interessant werden. Interessant wird auch zu sehen, ob es jemand wagen wird seine Wertschöpfungskette und damit sein Angebotsportfolie mittels Merger und/oder Akquisitionen außerhalb des Payments zu verlängern.

– Produkt:

Ich bin gespannt ob und wenn ja wie Apple Pay in 2019 den Markt verändern wird. Ja, das kaufkräftigste Klientel in Deutschland nutzt Apple. Aber ob das dazu beiträgt die Bargeldtransaktionen auf 7 von 10 zu reduzieren?

Das Jahr 2019 ist Year1 der PSD/2 und da freue ich mich als Konsument auf erfrischende Produkte im Bereich Konto, Convenience der Zahlung, Sicherheit, Kosten, Loyalty und freue mich auf eine Ablösung des

antiquierten 3DS 1.0. Aktuell bleibt hier für mich leider abzuwarten, wie das in der noch verbleibenden Zeit in den Markt gebracht werden soll. Wenn ich dazu den aktuellen Wissensstand bei Händler, PSP, Acquirer und auch Issuer betrachte, befürchte ich bei der einen oder anderen Kreditkartenzahlung „schwarze Schrift auf schwarzem Bildschirm“.

– Regulierung/Innovation:

Ab September 2019 ist die „Bankenschonzeit“ vorbei. Ab dann darf jeder zugelassene AISP (Account Initiation Service Provider) und PISP (Payment Initiation Service Provider) mit Zustimmung des Kontoinhabers auf Konten zugreifen und Zahlungen in unserem Namen ausführen. Ob diese Zahlungen dann alle kartenbasiert sein werden, oder ob dann auf einmal kontobasierte Zahlungen / Instant Payment Zahlungen, insbesondere SDD Zahlungen mit guten Risikomanagement und starker Convenience auf der Überholspur sind, bleibt abzuwarten. Die Chancen dafür stehen aber aus meiner Sicht nicht zu schlecht. Insbesondere vor dem Hintergrund des aktuellen Umsetzungsstatus von 3DS 2.0 bei allen beteiligten Parteien wird das spannend. Weiteres Thema für 2019ff dürfte die Verbreitung von Instant Payment werden, sofern die Gebührenmodelle der Banken hier „mitspielen“. Dies wird ein maßgeblicher Treiber für die Durchsetzung am POS und im eCom werden. Auch hier geht es aus meiner Sicht nicht um Verteidigung des Status Quo, sondern um Nutzung der sich mit Instant Payment ergebenden Chancen die Kundenschnittstelle optimal zu bedienen. Das Geschäftsmodell „kostenpflichtige Abwicklung von Zahlungstransaktionen“ ist sicherlich ein Modell das mittelfristig überdacht werden sollte. Interessant wird in 2019 auch die Entwicklung der ID Dienste YES, net-ID, Verimi etc. sein. Können diese eine konkrete Marktlücke füllen und signifikante Reichweite aufbauen, dürften damit in Verbindung mit den Möglichkeiten der PSD/2 starke Wettbewerber der heutigen Zahlungsdienstleister heranwachsen. Schließlich basieren Zahlungen auf nachgewiesenen Identitäten und Risikomanagement. Mehr braucht es ja bekanntlich nicht.

– Markt:

Die GAFA‘s dieser Welt lassen sich ja bekanntlich nicht wirklich in Ihre Karten blicken. Fest steht aber, dass auch diesen Playern die PSD/2 bekannt sein dürfte. Durch die enorme Reichweite spielt in deren Überlegungen sicherlich auch das Thema ID Dienste eine wichtige Rolle; und das nicht erst DSGVO, Verimi und YES (Login with facebook existiert ja schon lange). Welche Auswirkungen das in 2019 für uns Konsumenten haben wird, ist schwer zu sagen. Grundsätzlichen sehe ich auf Marktseite den Trend zur Standardisierung und Vereinfachung. Reichweitenstarke Anbieter haben hier klare Vorteile und die GAFAs sind ja unter anderem auch deshalb so groß geworden, weil sie kundenfreundliche und einfache Lösungen anbieten. Einen weiteren Trend sehe ich im Bereich „Echtes Omnichannel“ und Marktplätze. Für Händler ist Omnichannel etwas komplett anderes als für Payment Dienstleister. Diese Brücke zwischen den Händlervorstellungen und den Paymentbeiträgen wird in den kommenden Jahren eines der großen Marktthemen sein. Und Marktplätz sind – wenn sie gut gemacht sind – für viele kleine Händler der Reichweitenmultiplikator.

Frage: Was sind aus deiner Sicht die Top-Branchen die von kommenden Entwicklungen im Payment-Markt profitieren können?

Antwort: Jede Branche braucht Payment. Eine Eingrenzung in der bisherigen Form auf den stationären POS oder eCom gibt es schon jetzt nicht mehr. Überall wo Güter und Dienstleistungen angeboten werden, besteht der Bedarf nach einfachen, sicheren, benutzerfreundlichen und zunehmend auch automatisierten Zahlungsmöglichkeiten.

Eine der ersten Branchen welche bisherige „monolithische“ Produkte (z.B. ein Auto, welches über Jahre hinweg gefahren wird) in kleine kundenfreundliche und modulare Produktelemente (einzelne Services können temporär zur bestehenden Autokonfiguration dazu gebucht werden) aufbrechen, ist Automotive. Betrachtet man die Anzahl der Autos allein in Deutschland, stellt dies ein gewaltiges Potenzial für Payment dar.

Ähnliches gilt für Mobility, Self Service oder das Gesundheitswesen. Interessanterweise sind all diese Branchen auf eine einfache Identifikation der Konsumenten (Stichwort ID-Services) angewiesen um Zahlungen benutzerfreundlich abzuwickeln.

Frage: Wie ordnest du den kurz vor Jahresende erfolgten Start von Apple Pay in Deutschland ein? Ist das der Durchbruch für Mobile Payment in Deutschland?

Antwort: Seit 2012 beschäftigen wir uns in diversen Projekten intensiv mit dem Thema Mobile Payment. Ein echter Durchbruch hat bekanntermaßen bisher noch nicht stattgefunden. Ob sich das mit Apple Pay ändert, wage ich vor der Frage: „welchen konkreten Nutzen hat es für den Normalverbraucher mit dem Handy zu bezahlen“ nicht zu beantworten. Apple Pay wird dem Mobile Payment sicherlich einen nicht unerheblichen Schub geben. (Nicht zuletzt aufgrund der sehr einfachen und intuitiven Bezahlung mit dem iPhone.) Einen Durchbruch würde ich das aber erst bezeichnen, wenn durch Apple Pay und Mobile Payment das Verhältnis bar/unbar vom Verhältnis 8/10 auf 5/10 sinkt. Ein Blick in andere Länder, in denen Apple Pay gelauncht wurde zeigt, dass die Nutzung von Mobile Payment kurzfristig steigt, mittelfristig aber wieder absinkt, wenn auch auf ein etwas höheres Niveau als das Ausgangsniveau. Ich gehe in Deutschland von einer ähnlichen Entwicklung aus. Einen viel wichtigeren Einfluss auf Mobile Payment sehe ich aber in der digitalen girocard, welche auch im Handy hinterlegt werden kann. Da nur jeder dritte Deutsche eine Kreditkarte besitzt, aber über 100 Millionen girocards ausgegeben sind, könnte dies bei einer entsprechenden Vermarktung der Banken zu einer wirklich signifikanten Steigerung der Mobile Payment Nutzung führen.

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